Pfälzer Höhenweg: Heimat wandernd neu erleben

Pfälzer Höhenweg

 

Seit über neun Jahren habe ich meiner Heimat Nordpfalz den Rücken gekehrt. Mittlerweile wohne ich in Berlin, mitten im Kreuzberg. Auch wenn ich direkt am Park und unweit des Tempelhofer Feldes wohne, ist sie immer wieder da, die Sehnsucht nach Natur. Frische Luft, weite Blicke, der Duft von frisch gemähten Wiesen, das ist es, was mir am meisten fehlt.
Beim Wandern den Kopf frei kriegen, meine Kondition testen und Zeit in der Natur verbringen stand auf meiner Wunschliste ganz oben. Die Auswahl an europäischen Fernwanderwegen ist riesig: Camino Frances, West Highland Way in Schottland oder wandern auf Mallorca? Ich wollte dort wandern, wo Anfänger wie ich zwar gefordert aber nicht überfordert werden, mindestens vier Tage und ohne große Kosten. Ich überlegte lange hin und her, bis ich ganz zufällig auf die Lösung stieß, die einfacher nicht sein konnte: der Pfälzer Höhenweg.

Hoch oben durchs Pfälzer Bergland

112 Kilometer ist der Pfälzer Prädikatswanderweg, der 2011 eingeweiht wurde, lang. Und eines vorweg: Er wird seinem Namen gerecht. Es geht steil hinauf ins Pfälzer Bergland, doch dafür wird man immer wieder mit spektakulären Aussichten belohnt. Der Pfälzer Höhenweg ist die perfekte Möglichkeit, mich ans Fernwandern heranzutasten und das mitten in der Heimat. Keine der Routen ist länger als 25 Kilometer von meinem Heimatdorf Kalkofen entfernt, somit spare ich mir Übernachtungskosten und kann ohne Probleme Pausentage zum Arbeiten einlegen.
Auch über fehlende Unterstützung kann ich mich nicht beklagen. Kaum erzähle ich in der Heimat von meinem Vorhaben, habe ich für alle geplanten Touren Begleitung gefunden. Über fehlende soziale Kontakte konnte ich mich in der Pfalz noch nie beschweren.

Meisenheim Höhenweg
Der Blick auf Meisenheim: Ein erstes Highlight

Ich gehe den Weg nicht chronologisch, sondern nach Lust und Laune. Ich starte mit zwei Freunden mit der Etappe 5 von Obermoschel nach Meisenheim. Sie ist mit 12,9 Kilometern die kürzeste Route, perfekt für den Anfang. Wir starten in der Altstadt von Obermoschel, der kleinsten Stadt der Pfalz. Kaum sind wir übermotiviert losgelaufen, merken wir, dass wir keines der blau-weißen Schilder, die den Höhenweg markieren, mehr sehen. Zum Glück merken wir es schnell und sind direkt wieder auf dem richtigen Weg angekommen und ab jetzt besonders aufmerksam. Über idyllische Feldwege geht es vorbei auf die Schiersfelder Höhe. Der Anstieg ist anstrengend und ich hoffe, dass wir bald oben sind. Obwohl es Ende August und außergewöhnlich heiß ist, bläst dann auf der Höhe ein leichter Wind. Die Gedanken können fließen, meine Augen schauen statt auf Kreuzberger Graffitis über frisch gemähte Felder, bewaldete Hügel und das nahegelegene Callbach. Eine Zeit lang führt uns der Weg durch den Wald, bis sich uns ein grandioser Panoramablick über Meisenheim bietet.

Der Pfälzer HöhenwegDer Pfälzer Höhenweg
Der Pfälzer Höhenweg

Etappenziel: die Altstadt von Meisenheim

Die Altstadt von Meisenheim ist fast unbeschadet aus dem 14. Jahrhundert erhalten und bietet selbst von oben einen tollen Anblick. Als wir kurz vorm Ziel über die Glanbrücke laufen, passieren wir die ehemaligen Grenze zwischen Preußen und Bayern. In der Altstadt bestaunen wir die spätgotische Schlosskirche, in der einige Pfalzgrafen begraben sind, unter anderem die Vorfahren von Maximilian I., dem ersten König von Bayern und Begründer der Wittelsbacher Königslinie. Wir schlendern vorbei an mittelalterlichen Adelshöfen und Bürgerhäusern durch das Untertor, vorbei am alten Rathaus. Ich kenne die Stadt schon seit Kindertagen, doch erst jetzt fällt mir wieder ein, wie schön es hier ist. „Pittoresk“ dürfte wohl in jedem Reiseführer stehen. Bei Kaffee und Kuchen erholen wir unsere müden Beine direkt am Ufer des Glans und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Ein Städtchen, das als erstes Etappenziel eine gute Figur macht.Meisenheim_Kirche

Ein Highlight meiner Wanderung ist die Etappe von Rockenhausen bis nach Obermoschel, die ich mit einer Freundin bis nach Alsenz laufe. Eine Strecke, die mir rein von Start- und Endpunkt nicht besonders sympathisch ist, da sie mich hauptsächlich an meinen früheren Schulweg erinnert. Doch wir verlassen schnell bekannte Wege und laufen erst einmal hoch hinaus auf die Höhe über Katzenbach, wo die Reste einer „Villa Rustica“ gefunden wurden. Sie zählt zu den größten Ausgrabungskomplexen der Westpfalz. Weiter geht es an Brombeersträuchern und Waldgebieten vorbei zur Gemeinde Stahlberg, eines der früheren Bergbauzentren am Donnersberg.
Am Stahlberg wurde seit dem frühen Mittelalter in zahlreichen Gruben Quecksilbererze, vorwiegend Zinnober, gewonnen. Die Nordpfalz gehörte Mitte des 16. Jahrhunderts zu den drei bedeutenden Queckslibervorkommen Europas. Vor dem dreißigjährigen Krieg kam der Bergbau weitgehend zum Erliegen und erlebte im 18. Jahrhundert erneut eine Blütephase. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg führte dazu, dass nach einigem Auf und Ab der Bergbau 1942 komplett eingestellt wurde.
Statt Unter-Tage-Charme erwartet uns auf dem Stahlberg ein idyllisches Dörfchen, das ich so gar nicht in Erinnerung hatten. An Pferdeweiden vorbei geht es weiter durch kurze Waldabschnitte gen Norden, bis wir den Weidelbacherhof erreichen. Dort wartet eine Überraschung auf uns. Ein kleines Gartenhäuschen, das als Wander-Rast-Station namens „Hühnerhaus“ umfunktioniert wurde, lädt zu einer ausgiebigen Pause ein. Bei einer Apfelsaftschorle und Keksen genießen wir den Blick ins weite Land und den Plausch mit der Nachbarin. Es sind die kleine Dinge wie dieses nette Häuschen mit Vertrauenskasse, die mich begeistern. Solche Ideen sollten viel öfter umgesetzt werden. Denn so schön der Weg ist, an vielen Strecken fehlen die Möglichkeiten zur Einkehr. Über kleine kreative Orte wie das Hühnerhaus, freut man sich dann umso mehr. Ich schaue auf die Landschaft, die meine Heimat ist. Die ich einerseits kenne wie meine Westentasche und mich dann wiederum, wenn man abseits der gewohnten Wege ist, immer wieder überrascht.

Hühnerhaus Weidelbacherhof
Das Hühnerhaus sorgt für Getränk und Snacks

 

Geschichte erwandern

Auf der Etappe von Meisenheim nach Lauterecken bin ich nur 25 Kilometer von meinem Dorf entfernt, dennoch ist mir die Gegend komplett neu. Vielleicht war ich als Kind einmal in Lauterecken, erinnern kann ich mich nicht wirklich. Und so entdecke ich zusammen mit meinem Eltern eine für mich neue Stadt. Wir laufen entlang einer alten Römerstraße, vorbei an einem Steinbruch und verbringen einen schönen Tag bei bestem Wetter und netten Gesprächen.

Nach dem ersten Tag hatte ich Muskelkater bis in die Pobacken, am zweiten Tag drückte der Schuh, doch je öfter ich laufe, desto einfacher fällt es mir. Kein Muskelkater mehr, keine Blasen und ich fühle mich körperlich richtig gut. Der Pfälzer Höhenweg ist durchweg vom Schwierigkeitsgrad her als „mittel“ eingestuft. Das heißt, man braucht ein bisschen Kondition, denn es werden einige Höhenmeter hinauf- und hinabgewandert. Trotzdem ist der Weg für körperlich fitte Menschen keine unmögliche Herausforderung. Für mich ist es genau die richtige Mischung aus Anstrengung und Erholung.

Auf meiner vierten und vorerst letzten Tour entlang des Höhenwegs laufe ich mit meinem Vater auf den Donnersberg. Der Weg auf den mit 687 Meter höchsten Berg der Pfalz ist für mich eine Reise in die Vergangenheit. Jedes Kind aus der Gegend kennt den Donnersberg vom Schulausflug, von Familienwanderungen oder vom Schlittenfahren in Winter. Früher waren wir oft im Kastanienhof in der Sauna und im Schwimmbad und danach nebenan in der Blockhütte Pommes essen. Wann ich das letzte Mal da war? 13 Jahre dürfte es mindestens her sein. Da der Höhenweg momentan auf den ersten beiden Etappen, also Winnweiler bis Bastenhaus und rund um den Donnersberg, auf manchen Teilen wegen Forstarbeiten gesperrt ist, folgen wir anderen Rundwegen auf die Spitze. Wir schwitzen schon nach den ersten Metern, so steil geht es bergauf. Doch oben angekommen wartet einer der schönsten Blicke der Etappen auf uns. Vorbei am Ludwigsturm und ehemaligen US-Sendemast gehen wir zum Adlerbogen, der erst kürzlich restauriert wurde. Der goldene Adler, der am Abhang thront ist beeindruckend und der Blick in die Tiefe kann schon einmal die Knie zittern lassen. Von der Plattform über dem Adlerbogen stürzen sich Gleitschirm- und Drachenflieger, die mehr Adrenalin als ich brauchen, in die Tiefe.

Adlerbogen Donnersberg
Adlerbogen mit grandiosem Weitblick

Das Denkmal wurde 1880 zu Ehren der Leistungen des Generalfeldmarschalls von Moltke (1800–1891) bei der Sicherung der Pfalzgrenzen im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dem Adler im Jahr 1945 von alliierten Soldaten der Kopf abgeschossen. 2016 wurde der Adlerbogen umfassend restauriert und auf den vorgesehenen Podesten originalgetreue Kopien der beiden Standbilder von Bismarck und Moltke aufgestellt.
Am Donnersberg tauchen wir immer wieder in die Geschichte ein: Bayern, Alleierte und vornweg natürlich Kelten. Moderne Skulpturen und Fundstücke aus keltischer Zeit erinnern an die frühe Besiedlung. Auch ein Teil der keltischen Ringwallanlage, die 150 v. Chr. auf dem Donnersberg errichtet wurde, lässt sich heute noch besichtigen.

Pfälzer Höhenweg
Weitblick zwischen Rockenhausen und Dielkirchen

Der Pfälzer Höhenweg führt in sieben Etappen von Winnweiler nach Dannenfels, weiter nach Bastenhaus, Rockenhausen in Richtung Alsenz. Der Weg passiert Burgruinen wie die Burg Randeck und Moschellandsburg und führt in die kleinste Stadt der Pfalz, Obermoschel. Von Meisenheim aus endet der Höhenweg in Wolfstein nach 112 Kilometern. In den Städten gibt es kleine Museen und Restaurants zu entdecken, in den Dörfern liebevoll restaurierte Häuser und blühende Gärten. Abwechslungsreiche Landschaft und weite Blicke sind beim Höhenweg an der Tagesordnung.

Ich bin nur einen Teil der Strecke gelaufen und bin mir sicher, dass ich viele tolle Aussichtspunkte und angenehme Waldwege verpasst habe. Gerne würde ich noch von der Burgruine Falkenstein ins Land schauen, im Bastenhaus oder dem Café Anno dazumal einen Kaffee trinken oder bis nach Wolfstein wandern, wo ich noch nie war. Was ich aus den Wandertagen mitnehme? Ich weiß, dass ich nicht in die weite Welt reisen muss, um beim Wandern eine tolle Natur zu erleben. Ich war auf Berggipfel in Nordindien, im Dschungel von Malaysia und kann trotzdem mit gutem Gewissen sagen: Der Pfälzer Höhenweg war die beste Wahl für meine Wanderung. Und ich bin mir sicher, dass ich die restlichen Etappen noch nachholen werde!

Infos zum Höhenweg sowie ein Faltblatt gibt es bei der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel und online unter Donnersberg-Touristik.de.

 

Ich bin Julia und das Gesicht hinter Julia_Bezirzt„Krawwelkatz“. Ich arbeite ortsunabhängig als freie Autorin und Bloggerin. Auch wenn ich nach München nun in Berlin lebe und am liebsten durch die Welt reise, ist Kalkofen in der Nordpfalz meine geliebte Heimat, hier klopft mein Herz. Meine Freunde fragen mich immer wieder, wieso ich so oft in der Pfalz bin. Vielleicht bringt Krawwelkatz ein paar Antworten.

 

 

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