Lia Falinski: Join my Escape

Text und Fotos: Lia Falinski
„Oh, beautiful weather today.“ Er spricht es aus, als sei es eine Frage und schaut mich durch seine buschigen Augen belustigend an. Ich muss seltsam aussehen, in meiner roten Windjacke, die mir zwei Nummern zu groß ist und meiner Jogginghose, die in Gummistiefeln steckt. Ja, heute war echt ein schöner Tag. Eine kalte Brise streift mein Gesicht, aber die Sonne scheint durch die dicken weißen Wolken und wärmt mich auf. In Irland kommt das selten vor und sobald sich die ersten Strahlen zeigen, gehe ich mit den Hunden an den Strand und denke nach. „Oh yes, it is“.

Foto: Lia Falinski

Er möchte etwas erwidern, wirft dann aber einen Blick über den Strand zu den Wellen. Meine Hunde spielen im Wasser. Sie springen sich gegenseitig an und schnappen nach dem Halsband des jeweils anderen. Als sie auf mich zustürmen, beschließt er lieber weiterzugehen und verabschiedet sich. Lange sehe ich dem älteren Iren nach, der alleine über den Strand läuft und eine Spur im nassen Sand hinterlässt. Meine Gedanken wandern nach Deutschland. Die Pfalz war dort 22 Jahre meine Heimat gewesen. Egal ob in Ludwigshafen, Neustadt oder Haßloch. Im Herbst gibt es die schönsten Weinfeste in der Gegend. Eine Tradition, die man in Irland nicht vorfinden wird. Hier trinkt man Guinness und Whiskey und tanzt ausgelassen zu einer irischen Band. Doch auch Irland hat einen Charme, dem man nur schwer entkommen kann. Als ich damals beschließe Deutschland zu verlassen und mit meinem Hund über das Meer nach Irland zu ziehen, weiß ich nicht, was mich auf der grünen Insel erwartet.

Seitdem sind 1,5 Jahre vergangen. Ich sitze hier in Irland am Strand und schaue in die Ferne. Der Mann ist nur noch ein winziger Punkt am Horizont. Ein Jahr und fünf Monate. Ich kann sagen, dass es eine sehr prägende Zeit war. Ich habe Irland in dieser Zeit als sehr raues und wildes Land erlebt. Die Menschen haben nicht viel Geld und sind sehr neugierig und aufgeschlossen. Auf dem Land trifft man selten Jemanden. Vor allem im Winter bleiben die die Iren gerne in ihren Häusern. Wenn man sie dann trifft, reden sie gerne und möchten alles wissen. Die häufigste Frage der Männer ist: „Are you married?“ (Bist du verheiratet?) Mittlerweile weiß ich damit umzugehen und winke lachend ab. Anfangs war es schwierig für mich, in einem so gläubigen Land von Männern aller Altersgruppen Angebote zu erhalten.

Das Schönste an diesem Land ist und bleibt für mich die Natur. Wilde Berge und Felsen, kilometerlange Strände ohne ein einziges Haus. Tagelang kann man hier wandern, ohne je einem Menschen zu begegnen. An den Regen habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Er schafft es nicht, meine Stimmung zu trüben. Im Gegenteil. Er verleiht dieser rauen Natur etwas Magisches und Melancholisches.

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Als ich in Irland ankam, fand ich schnell einen Job in einem Hotel an der Westküste. Zum Einen reinigte ich Zimmer, betreute die Kids des Kids Clubs, auf der anderen Seite führte ich Touristen auf Pferden durch die irische Landschaft. Es war hart, aber lohnte sich finanziell, sodass ich mir schnell ein Haus anmieten konnte. Klar war es anfangs nicht perfekt, aber ich war zufrieden mit dem, was ich hatte und nutzte die Zeit sinnvoll,um meine Sprachkenntnisse aufzubessern. Schon bald zog der zweite Hund ein und ich beschloss meinen Job im Hotel zu kündigen und woanders zu suchen. Ich wollte mich weiter verändern und so viel von der Insel wie möglich sehen.

Foto: Lia Falinski

Bei einem Pferdehändler einige Kilometer weiter fand ich eine weitere Arbeit, gab diese aber schnell wieder auf, da ich mit seinen Trainingsmethoden nicht arbeiten wollte. Ein Freund von mir bot mir dann durch Zufall sein Haus mietfrei in Irland an solange er auf Geschäftsreisen war und ich fand eine neue Bleibe. Die neu gewonnene Zeit nutzte ich, um mich im Webdesign, Marketing und Design weiterzubilden und online Jobs zu finden. Schnell fand ich auch in dem Bereich gut bezahlte Arbeit und war super zufrieden, da es sich eindeutig lohnte nicht gleich aufzugeben.

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Ich stehe auf und laufe langsam zurück zu meinem Auto. Die Hunde haben mich schnell eingeholt. Völlig sorgenfrei fliegen sie über den Sand und freuen sich in die Fluten zu springen. Ob ich mutig bin? Ein wenig. Auch ich habe Ängste und Sorgen. Aber ich zerbreche mir erst den Kopf, wenn es soweit ist. Mut ist für mich etwas sehr Vielfältiges. Man kann auch mit Angst viel erreichen. Man muss nur lernen, sie irgendwann zu besiegen und dann zu genießen. Es ist immer ein großes Risiko, wenn man das Land verlässt und so wie ich keine Familie hat, die einen auffängt. Aber ich strebe nach Freiheit und Unabhängigkeit und die werde ich nicht erreichen, wenn ich immer nur darüber nachdenke: Was wäre wenn?

Im Sommer 2018 geht meine Reise weiter. Ich möchte mehr Länder erleben, mehr lernen und mehr sehen. Es bedarf einiges an Disziplin, sich jeden Tag weiterzubilden und sich neu zu erfinden. So kann ich mein Geld unterwegs verdienen und mir weiter die Welt ansehen. Aber ich weiß, dass es sich lohnt und ich liebe die Freiheit, jeden Tag Neues zu entdecken. Am Auto angekommen, öffne ich die Tür und die Hunde springen hinein. Sie sind komplett nass und hinterlassen einen riesigen nassen Fleck auf dem Polster. Aber sie sind glücklich und zufrieden, also bin ich das auch.

Auf Join my Escape schreibt Lia über ihre Zeit in Irland und bald über ihre Reise, die sie mit Campervan quer durch Europa führen wird. Es wird spannend!

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