Laura Kleindienst: Italien

Liebe Laura, wir kennen uns noch aus Jugendtagen. Erzähle den Lesern doch kurz, wer du bist und was sich in den letzten Jahren getan hat.

Hi! Mein Name ist Laura Kleindienst, ich bin 30 Jahre alt und komme ursprünglich aus dem kleinen bescheidenen Katzenbach in der Pfalz. Vor neun Jahren bin ich als Au-pair nach Mailand gekommen und wie es den meisten deutschen Frauen hier so geht, der Liebe wegen geblieben.
Mittlerweile lebe ich mit meinem Partner und unserer dreijährigen Tochter in einem Vorort von Mailand und arbeite als Erzieherin im Kindergarten der Deutschen Schule Mailand.

Lombardei oder Pfalz – Wo fühlst du dich zu Hause?

Im Moment ist mein zu Hause in Italien in der Lombardei. Aber meine Heimat ist in der Pfalz bei meinen Eltern. An beiden Orten fühle ich mich wohl. Jeder hat seine Vorzüge und auch seine Nachteile.

Heimat – Was bedeutet das für dich?

Für mich ist Heimat Familie, Altvertrautes, ein Urgefühl, Sicherheit und Kindheitserinnerungen, die geweckt werden. Es sind die Straßen, Gassen und Täler, die man in- und auswendig kennt. Man kennt fast jeden im näheren Umkreis von Kindesbeinen an. Und nicht zu vergessen der Dialekt! Mittlerweile spreche ich Hochdeutsch, aber es reicht ein kurzes Gespräch mit jemandem aus der Heimat und ich verfalle in den pfälzischen Dialekt.

Was gefällt dir an deiner neuen Heimat besonders?

Die Landschaft! Es ist nicht weit zum Meer, zum Beispiel nach Ligurien. Die schönsten Seen wie der Lago Maggiore und der Gardasee, aber auch die Berge sind gleich in der Nähe. Natürlich gefallen mir auch das Essen und der Wein.

Was hat dich in Italien am meisten überrascht?

Das bescheidene staatliche System. Kindergeld, Arbeitslosengeld oder die Krankenversicherung – um nur wenige zu nennen – gibt es in einer ganz anderen Form als in Deutschland. Auch die Behördengänge sind viel schwieriger, da viele Angestellte in den Ämtern ihre eigenen Gesetze nicht kennen (diese verändern sich ohnehin ständig) oder sie anders auslegen. So können aus einem Termin gut auch mal vier werden, bis man eine richtige Information bekommt. Es sei denn, man ist den Angestellten irgendwie sympathisch, dann geht auf dubiose Weise alles ganz einfach und schnell.

 

Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?

Leider sehr früh aufstehen, das ist der Nachteil des Pendelns vom Vorort in die Stadt, dann gibt es Cappuccino & Brioche in einem Café, während ich warte, bis die Schule öffnet. Ich arbeite bis 13 Uhr, mache Hausarbeit und verbringe den restlichen Nachmittag mit meiner Tochter auf dem Spielplatz oder in einem Park in der Nähe. Abendessen gibt es relativ spät bei uns, aber dafür mit der ganzen Familie. Gelegentlich treffen wir uns mit Freunden zum Aperitivo, dann lassen wir das Abendessen ausfallen und der Abend endet, wann er enden soll. Da haben wir uns dem italienischen Rhythmus mittlerweile auch mit Kleinkind etwas angepasst. Am Sonntag ist Familientag. Dann unternehmen wir oft Ausflüge in die schöne Landschaft um uns herum.

Inwiefern hat dich die Pfalz geprägt. Wie war deine Kindheit?

Wenn ich an meine Kindheit denke, an das, was mich in der Pfalz geprägt hat, dann ist es das Gefühl einer heilen Welt. Wir haben viele Abenteuer im Pfälzer Bergland erlebt und manche davon hätten viel schlimmer ausgehen können. Aber man hat dieses Urvertrauen, welches einem die Eltern mitgegeben haben: Nichts kann passieren. Und wenn doch, dann gibt es für alles eine Lösung. Das fing an, als man alleine mit dem Kindergartenbus gefahren ist oder nach der Schule mit sechs Jahren alleine zur Freundin ging. Wir sind im Dorf, auf Wiesen, Feldern oder in Wäldern umhergestreunt, ohne dass die Eltern wussten, wo man überhaupt war. Wichtig war nur: Wenn es dunkel wird, muss man zu Hause sein.
Ich denke an die vielen Dorffeste, Kerwen und Weinfeste im Umkreis. Erste Besuche in Dorfdiscos oder auf Musikfesten.

Was für mich immer klar zu spüren war, war der Zusammenhalt und das Wir-Gefühl einer jeden Gemeinde zum Beispiel beim Organisieren und Veranstalten der Feste. Starke Dorfgemeinschaften, Gemütlichkeit, fröhliches Beisammensein – das ist für mich typisch pfälzisch!

Warum bist du aus Katzenbach weggezogen?

Ich wollte einfach etwas anderes sehen, einen Tapetenwechsel. Ich hatte das Gefühl, ich muss meiner Seele etwas Gutes tun. Vorerst war der Plan, nur eine kurze Auszeit im Ausland als Au-Pair zu machen. Dann habe ich die Liebe meines Lebens kennen gelernt.
Nach einem Jahr musste ich mich entscheiden: Heimat oder Liebe, und habe mich für die Liebe entschieden.

War der Wunsch ins Ausland zu gehen schon immer da?

Nein! Urlaub oder Reisen, das wollte ich immer gerne und viel. Aber an einen längeren Aufenthalt im Ausland oder gar Auswandern habe ich vorher nie gedacht.

Was hat Italien, was die Pfalz nicht hat?

Das Wetter, die viele Sonne, Pizza, Pasta und – so Leid es mir tut – den besseren Wein!

 

Was hat die Pfalz, was Italien nicht hat?

Kühle Sommernächte (in Mailand kühlt es im Sommer leider fast nie ab), typisches Pfälzer Essen wie „Quetschekuche un Grumbeersupp“ und natürlich fehlen mir hier Familie und Freunde.


Auswandern erfordert Mut. Bist du mutig?

Mit Sicherheit erfordert es Mut, auszuwandern. Da ich es aber eher stückchenweise entschieden und nicht gleich alles auf einmal verändert habe, war der Schritt leichter für mich. Zudem hatte ich im ersten Jahr auch Unterstützung durch die Gastfamilie. Aber das Leben im Ausland, mit einer Sprache die man anfangs nicht beherrscht, ist nicht immer einfach. Ich kam und komme auch heute noch oft an meine Grenzen, aber genau dadurch bin ich mit Sicherheit mutiger und selbstsicherer geworden! Das gehört wohl auch einfach zum Erwachsenwerden dazu, unabhängig davon, ob man im Ausland ist oder in irgendeiner anderen Stadt in Deutschland, weg vom Elternhaus.

Italienerin, Deutsche oder gar Pfälzerin? Wie wächst deine Tochter auf?

Unsere Tochter wächst glücklich inmitten zweier Kulturen auf, entdeckt die Unterschiede und lernt sich selbst als einen Teil dieser Kulturen kennen. Dazu gehört auch die Sprache.
Als ich meinen Partner kennen gelernt habe, unterhielten wir uns überwiegend auf Englisch. Mittlerweile ist unsere Familiensprache jedoch Italienisch. Mit unserer Tochter spreche ich in meiner Muttersprache Deutsch (und manchmal etwas Pfälzisch). Emma antwortet dann meist etwas gemischt. Der Papa versteht nun nach einigen Sprachkursen das “Kinderdeutsch“ und kann sich auch mit meiner Familie in Deutschland gut verständigen, abgesehen von den Gesprächen im Dialekt.

Könnt ihr euch vorstellen, als Familie wieder in die Pfalz zu kommen?

Ob wir uns vorstellen können in der Pfalz zu wohnen? Da scheiden sich die Geister. Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich Italien verfluche, das Heimweh groß wird und ich gerne zurück nach Deutschland möchte, da dort doch so vieles einfacher scheint. Aber meist vermisse ich nach einem zweiwöchigen Heimaturlaub Italien wieder so sehr, dass ich für eine gewisse Zeit „geheilt“ bin. Generell könnten wir es uns aber schon vorstellen, in die Pfalz zu kommen. Vielleicht nicht ganz so ländlich, da wir mittlerweile auch das Stadtleben zu schätzen wissen. Aber da es für meinen Partner beruflich schwierig wäre, ist das zurzeit keine Option. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, aber so wie ich vor zehn Jahren nicht damit gerechnet hätte, einmal in Norditalien zu leben, so weiß ich auch heute nicht, was die nächsten zehn Jahre bringen werden. Vielleicht ist genau das das Schöne daran!

Copyright /Alle Fotos: Laura Kleindienst

Text: Julia Schattauer

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